- 1999. Studenten:
Abel, Anna • Biechteler, Heike • Conradi, Julia • Förster, Catharina • Gieseke, Alexander • Hassenstein, Boris • Hoelzinger, Anne • Krug, Julia • Müller, Heidi • Opper, Cornelius • Przyrembel, Mark • Roloff, Yves • Schladitz, Wenke • Schneider, Christian • Schudel, Manuel • Swillus, Joachim • Wiesmann, Patrick - Projekt im Hauptstudium
- Prof. Eilfried Huth
- Kultur/ Medien/ Kommunikation

RewindMETABOLISMUS
Anliegen des 2-semestrigen Seminars ist, eine Architekturströmung der 60er Jahre in Japan — Metabolismus—, die global rezipiert wurde und wird, neu zu kontextualisieren und nach den Bedingungen, Bezügen und Auswirkungen von Architektur und Stadtplanung zu forschen.
• "Metabolismus " als Begriff aus der Biologie bedeutet Stoffwechsel/ Wandel/ Veränderung.
• "Metabolism " war der Titel einer Broschüre die 1960 in Tokyo zur "World Design Conference" von einer Gruppe Architekten, Theoretikern und Designern veröffentlicht wurde.
• "Metabolismus " wurde zum Namen für eine spätmoderne Architekturbewegung in Japan, die weltweit rezipiert wurde und wird. Entlang der Auffassung eines permanenten gesellschaftlichen Wandels und Wachstums wurden Raumstrukturen und -technologien entwickelt, die geeignet erschienen, die Entwicklung einer neuen Gesellschaft voranzutreiben.
Die allgemeine Unterordnung dieser Strömung in der europäischen Architekturgeschichtsschreibung unter utopische Projekte der 60er Jahre erscheint uns zu kurz gegriffen. Sie ignoriert einerseits die interdisziplinäre Ausrichtung des metabolistischen Ansatzes, der Grafik, Industriedesign, Architektur, Städtebau, Mode und Lebenswelt mit einschließen sollte, und andererseits den spezifischen Bezug zu den radikalen Restukturierungsprozessen der japanischen Gesellschaft.
Die Stars der Bewegung sind die Architekten Kiyonori Kikutake, Kenzō Tange, Kisho Kurokawa, Akira Shibuya, Arata Isozaki, Masato Ohtaka, Fumihiko Maki, Takashi Asada, der Grafiker Kiyoshi Awazu, der Architekturkritiker Noboru Kawazoe, Industriedesigner Kenji Ekuan und andere.
Eine ausführliche Analyse und Darstellung einerseits der Projekte, Theorien und Ideen und der gesellschaftlichen und kulturellen Situation Japans wäre notwendig zum Verständnis dieser spezifischen Architektur-, Lebens- und Stadtvorstellung.
Aus europäischer Sicht über Architektur in Japan zu sprechen, kann nur entlang der Wechselbeziehung von exotistischem Fremdbild und autentizistischem Selbstbild stattfinden. Die Geschichte des orientalistischen und kolonialen Blickes mutwillig verlassen zu wollen endet immer in zugespitztem Exotismus. Eine Beschreibung Japans Metabolismus aus dem Blick auf diese Wechselbeziehung bietet sich auch an, weil die Konstruktion der metabolistischen Ideengeschichte und die Enstehungsmythen der Metabolisten sich selbst offensichtlich in diesem Verhältnis aufhalten und sich Bewegung genau darin ansiedelt. Dass die westliche Architekturgeschichtsschreibung sich in diesem Sinne darauf bezieht erscheint traditionell zwangsläufig zu sein.
Die World Design Conference in Tokyo, die als Gründungszeitpunkt und auch Anlaß genannt wird findet im Jahre 1960 statt, 1 Jahr nach dem definitiven Aus für die CIAM , das rhetorische Schlachtschiff der westlich-internationalistischen Moderne. Diesen Ortswechsel vom Schiff nach Athen nach Tokyo ist das historische Datum an dem sich der Diskurs verschiebt. Tange der beim letzten CIAM-Treffen in Otterlo eingeladen war und ein Tag vor der Abschlußtagung nach Amerika abreisen mußte, war dann auch der erste, der die Nachricht vom Ende am MIT Siegfried Gideon und Walter Gropius, den Patriarchen selbst berichtete. Tange hatte das Ocean City Projekt von Kikutake in der Tasche und zeigte den Studenten des MIT daran, dass schon an der metabolistischen Idee gearbeitet wurde.
Zweck der World Design Conference war, die Protagonisten der westlichen Moderne ins Land zu holen um ihre Konzepte vorzustellen und andererseits Ihnen den Aufbruch Japans vorzuführen. So ist der angegebene Zeitraum des Metabolismus geklammert von zwei Welt-Ereignissen, der WDC und der Expo Osaka 1970, auf der jeweils die Metabolisten die führenden Positionen besetzten und die Welt Japan und Japan der Welt vorgeführt wurde. Genau in diesem Verhältnis von Export und Import konstruiert sich Metabolismus. Doch diesmal nicht in den Reisetagebücher der Missionare und Seeleute als exotistisches Vergnügen, sondern auf der Überholspur der Avantgarde. Japan schlägt den Westen auf seinem ureigensten Feld der Utopie und des Fortschritts.
Diese Spuren am Höhepunkt und an der Bruchstelle des heroischen Modernismus sollen verfolgt werden, um ein differenzierteres Bild vom vermeintlichen Bruch zwischen Moderne und Postmoderne zu entwickeln, zwischen Pruitt-Igoe und Pruitt-Igoe. Bahnam nennt die Megastrukturen, die ein metabolistisches Konzept sind, "Dinosaurs of the Modern Movement", "a whitening sceleton on the dark horizon of our recent architectural past".
Metabolismus ist der Godzilla gegen den King-Kong-Modernismus.
Nachtrag 2021-12 zum 10. Todestag von Kiyonori Kikutake (1928–2011) :